Wenn der angeblich schönste Tag des Lebens ansteht, liegen die Nerven blank. Vor allem beim Brautpaar. Denn das will nicht nur ein emotionales Highlight erleben, sondern auch eine perfekte Feier. Da ist es gut, wenn es Menschen hat, die ihm zur Seite stehen – emotional und organisatorisch. Anders formuliert: die richtigen Trauzeugen.Der Hamburger Autor Thomas Sünder („Wer hat eigentlich die Ringe?“) hat als DJ schon mehr als 500 Hochzeiten erlebt und weiß, was wichtig ist, damit das Fest nicht in eine Katastrophe mündet: „Kommunikation – und zwar in jeder Hinsicht!“
Die beginnt schon in dem Moment, in dem man gefragt wird. Klar ist das zunächst eine große Ehre. Doch gleichzeitig verknüpft sich für die Trauzeugen in spe damit das Gefühl: „Oh nein, was heißt das? Kann ich das?“ Dann hilft es, gleich nachzufragen: „Was erwartet Ihr von mir?“ Die deutschen Standesämter jedenfalls verlangen seit 1998 gar keine Trauzeugen mehr. Ansonsten geht die Schere auf der Wunschliste weit auseinander. Vom „Nichtstun“ beim Essen im kleinen Kreis bis zur Organisation eines kompletten Überraschungsprogramms mit Torte und Musik inklusive Junggesellenabschied. Für Thomas Sünder ist es heute meist Aufgabe der Trauzeugen, sicherzustellen, dass die Feier nach Wünschen des Brautpaars läuft und zwischen ihm und den Gästen zu vermitteln.
Hochzeitsplanerin Judith Ihl-Lange aus dem Nürnberger Land hat jedoch schon erlebt, dass Brautleute mitunter zu viel verlangen. „Manche Trauzeugen werden mit Aufgaben überhäuft, die sie gar nicht erfüllen können. Einige sind dann wirklich damit überfordert“, sagt die Vorsitzende des Bundes deutscher Hochzeitsplaner. Deshalb sollte man „fair sein und ihnen nur zumuten, was sie wirklich wissen und was sie können“. Der Druck sei immens.
Thomas Sünder rät, die Trauzeugen nicht nur danach auszusuchen, wie eng sie zu Braut oder Bräutigam stehen, sondern auch nach ihren Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit: „Jemand, der total verklemmt ist, sollte diesen Job besser nicht annehmen. Es sei denn, er arbeitet mit jemanden zusammen, der ein absoluter Kommunikator ist.“
Und natürlich hat man auch das Recht, den ehrenvollen Job abzulehnen. Weil die Lebenssituation einfach nicht passt, man beruflich im Stress ist, gerade ein Kind bekommen hat oder sich in einer Trennungsphase befindet. „Es gibt viele Faktoren, wo man nicht jemandem auch noch zumuten sollte, Trauzeuge zu werden“, so Thomas Sünder.
Trauzeuge darf sich vor Konflikten nicht scheuen
Und was sollte ein Trauzeuge an „inneren“ Voraussetzungen mitbringen? „Neben Kommunikationsfähigkeit vor allem Souveränität, Organisationstalent, Entscheidungsfreude. Und nicht übertriebene Konfliktvermeidung. Und Empathie“, empfiehlt Sünder. Denn es gilt, sich ins Brautpaar hineinzufühlen: Was will es wirklich, was nicht? Peinliche Spiele vielleicht. Dann heißt es, die Reißleine zu ziehen und sich gegenüber anderen Gästen zu behaupten.
Nur, wenn alle Stricke reißen und etwa die Schwiegereltern und Co. etwas durchsetzen wollen, was den Brautleuten gar nicht liegt, sollte man diese darüber informieren. „Lieber ein paar familiäre Spannungen vor der Feier riskieren, als eine Hochzeitskatastrophe enttäuschter Erwartungen heraufzubeschwören“, sagt Sünder.
Trauzeugen brauchen also das richtige Händchen. Und zugleich gibt es bei ihrer Auswahl durchaus K.O.-Kriterien. Wer zu chaotisch ist oder gar unter Aufschieberitisleidet, wäre vermutlich nicht die perfekte Wahl. Es muss vieles koordiniert werden. Zum Beispiel die Ideen der Freunde und Verwandten. Denn die sollen meistens ja eine Überraschung sein, müssen aber auch in den Zeitplan passen.
„Weniger ist da manchmal mehr“, sagt Sünder. „Lieber ein paar schöne Sachen koordinieren, die wirklich von Herzen kommen und persönlich sind.“ Und die nicht den Ablauf komplett durcheinanderbringen. Die Zeiten, dass man ewig lang einen Baumstamm durchsägen oder mit stumpfer Schere ein Herz in ein Bettlaken schneiden soll, sind jedenfalls vorbei.
Wie übrigens auch die Tradition der Brautjungfern, so Sünder. Um Dämonen von der Braut abzulenken, sollten sie einst beim Einzug in die Kirche die Schleppe tragen. Heute wird von ihnen jedoch kein aktives Handeln mehr erwartet. „Meistens haben sie gar keine Aufgabe, sondern sind die engsten Freundinnen, die wunderschön und einheitlich gekleidet an der Seite der Braut stehen“, sagt Judith Ihl-Lange.
Apropos Dresscode: Wie sieht es mit Vorgaben des Brautpaares aus? „Klar hat das Paar gewisse Vorstellungen, wenn es um die Kleidung der Trauzeugen geht. Oft ist es ihr Wunsch, harmonisch als Gruppe aufzutreten“, sagt die Hochzeitsplanerin. Ob man das von den Trauzeugen verlangen könne, sei letztendlich eine Geschmacksfrage.
„Je individueller und auch freakiger die Hochzeiten sind, desto weniger wird auf so etwas Wert gelegt“, so die Expertin. Thomas Sünder hat schon Konzepthochzeiten erlebt, bei denen alle in schwarz-weiß kamen. „Ich gebe zu, es ist optisch schön und macht etwas her. Aber die Frage ist doch: Was verlangt man eigentlich seinen Gästen ab?“
Trauzeugen wird einiges abverlangt
Den Trauzeugen wird indes einiges abverlangt. Etwa, sich selbst zurückzunehmen – bei eigenen Vorstellungen und beim Alkoholgenuss – und den Überblick zu behalten. Aber sind sie auch verantwortlich, dass die Brautleute eine tolle Feier haben? Nein, meint Sünder. „Das Verantwortlichfühlen hat seine Grenzen.“ Es reiche schon, wenn man dafür sorgt, dass die Feier nicht mit irren Aktionen versaut wird.
Und woran erkenne ich, dass ich meinen Job als Trauzeuge gut gemacht habe? „Wenn sich das Brautpaar hinterher bedankt für das, was man zur Feier beigetragen hat“, sagt Thomas Sünder.
Wer die Beziehung weiter festigen möchte, für den hat er einen Tipp: Jetzt schon das Datum im Kalender vermerken und dem Ehepaar zum ersten Hochzeitstag einen Glückwunsch schicken – verbunden vielleicht mit den Worten: „Es war mir eine Ehre, dabei zu sein!“ dpa