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„Was ich noch sagen wollte...“

Wer den Tod nahe vor Augen hat, will oft so intensiv wie möglich von seinen Lieben Abschied nehmen.

Gute Wünsche, letzte Botschaften oder vielleicht noch den letzten Auftrag an Verwandte können Menschen, die den Tod vor Augen haben, per Brief hinterlassen. FOTO DPA

Wer dem Tod gegenüber steht, hat meist viele Ängste. Eine große Sorge ist dabei oft, in Vergessenheit zu geraten und keine Spuren zu hinterlassen. „Auch wenn sie es nicht so wahrnehmen, wünschen sich viele Menschen ein Vermächtnis“, sagt der Palliativmediziner Prof. Sven Gottschling aus Homburg (Saarland).

Den idealen Abschied gebe es aber nicht, meint Stefanie Schardien. Die Pfarrerin aus Fürth warnt davor, das Sterben geradezu perfektionieren zu wollen. Wer zum Beispiel aufgrund einer schweren Krankheit weiß, dass er oder sie nicht mehr lange zu leben hat, sollte sich auf diese Weise nicht noch zusätzlichen Druck machen.

Wer etwas hinterlassen möchte, hat aber Möglichkeiten. Neben dem klassischen Brief kann ein Fotoalbum gebastelt oder ein Baum gepflanzt werden, der an den Verstorbenen erinnern soll.

Grundsätzlich sei es eine schöne Idee, etwas für die Zeit nach dem Tod zu hinterlassen, findet auch die Familientherapeutin Valeska Riedel. „Man sollte sich aber fragen, in wieweit das wichtig ist oder ob es nicht besser ist, die Dinge in der Gegenwart – also solange man noch lebt – auszusprechen“, sagt Riedel. Dabei sollte sich der Sterbende seiner Verantwortung bewusst sein und überlegen, ob er mit seiner Nachricht den Angehörigen seine Liebe versichert oder sie eher quält: „Der oder diejenige, die geht, sollte sich bewusst sein, dass die Anderen weiterleben müssen“, stellt Pfarrerin Schardien klar.

Manch Todkranker will Angehörigen auch Aufträge mitgeben, hat Gottschling erlebt. „Das kann eine Bürde sein, denn diese Botschaften haben eine große Strahlkraft“, sagt der Arzt. Ein Kind, dem man sagt, es sei nun „der Mann im Haus“, könnte damit leicht überfordert sein.

Bei aller Verantwortung gilt jedoch: Man sollte keine Angst davor haben, etwas falsch zu machen. „Der größere Fehler wäre, es nicht zu machen, obwohl man das Bedürfnis hat“, meint Gottschling.

Verbündete für die Überraschung

Vorab sollte man sich fragen: In welcher Situation erreicht die Botschaft meine Lieben und was möchte ich auslösen? Wer zum Beispiel weiß, dass er die Hochzeit der eigenen Kinder oder die Volljährigkeit nicht mehr erleben wird, kann sich überlegen, für diesen Anlass eine Nachricht zu schreiben oder eine Videobotschaft aufzunehmen. Wer eine solche Überraschung plant, braucht dann auch einen Verbündeten, der das Geschenk oder den Brief zum verabredeten Zeitpunkt überreicht.

Das kann wegen der großen Verantwortung Probleme mit sich bringen. „Ich würde am ehesten den eigenen Ehepartner oder einen Paten einweihen, denn der hat die nötige Lebenserfahrung“, rät Riedel. Die Experten warnen zugleich davor, aus Verzweiflung oder aus Groll heraus zu handeln und die Botschaft für eine letzte Abrechnung zu nutzen. „Es wäre schön, wenn man sich das verkneifen könnte, denn man kann sich sicher sein, dass die sitzt“, sagt Gottschling.

„Die letzte Nachricht sollte keine offenen Fragen hinterlassen oder etwas andeuten, denn ein Nachfragen ist ja nicht mehr möglich“, ergänzt Schardien. Der Tod sei eine Zeit der Versöhnung, was aber auch nicht heiße, dass man alles zudeckt, was schiefgelaufen ist.

Aber warum sollte man eigentlich mit dem Verfassen von Botschaften warten, bis eine Krankheit den Tod heraufbeschwört? Der beste Zeitpunkt dafür ist jetzt. „Die Erfahrung zeigt, dass man danach abschließen und sich voll dem Leben widmen kann“, sagt Gottschling. dpa